Arzneimittel oder Lebensmittel? – Der zunehmenden Irreführung von Verbrauchern ein Ende bereiten!

Phytopharmaka – geprüfte Qualität
Zugelassene oder registrierte pflanzliche Arzneimittel, sogenannte Phytopharmaka, unterliegen strengen Qualitätskriterien und hohen Regulierungsanforderungen. Sie bilden daher eine bewährte Grundlage für eine wirksame und gut verträgliche Therapie akuter und chronischer Erkrankungen, auf die Patienten sich zu Recht verlassen können.

Gesteigerter Wettbewerb und wachsende Irreführung von Verbrauchern
Seit einigen Jahren stehen Phytopharmaka allerdings in einem sich verschärfenden Wettbewerb mit Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) und sogenannten stofflichen Medizinprodukten (MP), die pflanzliche Zubereitungen beinhalten. Diese Produkte präsentieren sich gegenüber Verbrauchern in zunehmendem Maße wie Arzneimittel, indem sie in einer ähnlichen Aufmachung, am gleichen Ort (z.B. Apotheken) und mit gleichartigen Wirkaussagen vertrieben werden. Viele Hersteller von NEM und MP beabsichtigen damit, dass ihre Produkte aus Sicht von Verbrauchern wie Arzneimittel wahrgenommen und auch so verwendet werden, obwohl es sich bei ihnen rechtlich gerade nicht um Arzneimittel handelt.

Hieraus resultiert eine bewusst herbeigeführte, massive Irreführung von Verbrauchern, die NEM und MP im guten Glauben verwenden, dass es sich hierbei um Arzneimittel handelt.

Mangelhafte Abgrenzungskompetenz und unbefriedigende Abgrenzungspraxis
Die korrekte Abgrenzung zwischen Phytopharmaka einerseits und NEM und MP andererseits, ist tatsächlich schwierig und fordert eine intensive Beschäftigung mit individuellen, physiologischen und therapeutischen Fragestellungen. Aus praktischer Sicht und insbesondere auch in der Wahrnehmung der Verbraucher existieren zudem fließende Übergänge zwischen den verschiedenen Produktkategorien. Es ist daher wenig verwunderlich, dass derartige Abgrenzungsfragen zunehmend Gerichte und Behörden beschäftigen, die aufgrund der Komplexität der Fragestellungen häufig fachlich und zeitlich überfordert sind, was in Folge zu widersprüchlichen Einschätzungen und Urteilen führt.

Forderungen an politische Entscheider und Aufsichtsbehörden
Das Komitee Forschung Naturmedizin (KFN e.V.) fordert die Politik sowie die entsprechenden Kontrollinstanzen dazu auf, die relevanten regulatorischen Vorgaben einzuhalten und die Einhaltung der Abgrenzungskriterien wirksam zu überwachen. Insgesamt müssen die Voraussetzungen für einen funktionierenden Verbraucherschutz und für einen fairen Wettbewerb gewährleistet sein.

Im Einzelnen fordert das KFN

  • Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel
    Gemäß Vorgaben der europäischen Richtlinie (2002/46/EG) bzw. der deutschen Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) dienen Nahrungsergänzungsmittel (NEM) der Ergänzung der Ernährung. Im Vergleich zu Joghurt oder Saft werden NEM in arzneimitteltypischen Darreichungsformen wie beispielsweise Kapseln, Tabletten, Ampullen angeboten. Dadurch unterscheiden sie sich für den Verbraucher rein optisch nicht unbedingt von Arzneimitteln.

    Daher fordert das KFN eine eindeutige Kennzeichnung der Nahrungsergänzungsmittel, die darauf hinweist, dass diese Produkte als Lebensmittel zur Ergänzung der Ernährung gedacht sind.

  • Nahrungsergänzungsmittel werden nicht mit Angaben beworben, die auf eine Krankheit hinweisen
    Die Vorgaben des Lebensmittelrechts verbieten es, Lebensmittel mit einem Krankheitsbezug zu bewerben. Mit Ausnahme von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) hat die Bezugnahme auf eine Erkrankung bei der Kennzeichnung von Nahrungsergänzungsmitteln zu unterbleiben.

  • Nahrungsergänzungsmittel dürfen nicht irreführen/täuschen
    Die Vorgaben des Lebensmittelrechts verbieten eine Irreführung bzw. Täuschung. Die Zweckbestimmung eines Nahrungsergänzungsmittels ist die Ergänzung der Ernährung mit Stoffen, die eine physiologische/ernährungsspezifische Wirkung besitzen. Dies bedeutet sowohl für Nährstoffe wie Vitamine/Mineralstoffe als auch für pflanzliche Zubereitungen, dass die täglich empfohlenen Dosierungen eines NEM mit den Stoffmengen vergleichbar sein müssen, die auch über den Verzehr von Lebensmitteln in verzehrsüblichen Mengen möglich sind bzw. den Stoffwechsel nur in solchem Maß beeinflussen, dass ihr Effekt im Rahmen physiologischer Zustände bleibt („Erheblichkeitsschwelle“).

  • Die Bewerbung darf nur mit autorisierten gesundheitsbezogenen Angaben erfolgen.
    Die europaweit genehmigten gesundheitsbezogenen Angaben für Nährstoffe bzw. sonstige Stoffe (siehe EG 1924/2006 bzw. EU 432/2012) dürfen für Inhaltsstoffe von Nahrungsergänzungsmitteln verwendet werden. Bei den pflanzlichen Inhaltsstoffen gilt, dass die gesundheitsbezogenen Angaben, die noch nicht bewertet wurden (sogenannte „on hold claims“), so lange verwendet werden dürfen, bis der Bewertungsprozess abgeschlossen ist. Wichtig ist jedoch, dass bis zum Abschluss des Bewertungsverfahrens die ausgelobte gesundheitsbezogene Angabe nur unter Verantwortung des Inverkehrbringers verwendet werden kann, wenn er sie durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise begründen kann (siehe EuGH-Urteil C 363 19 vom 10.09.2020 zur Beweislast für die Zulässigkeit von on-hold-Claims). Ansonsten ist von einer Irreführung bzw. Täuschung auszugehen. Es ist nicht ausreichend, lediglich unter der therapeutisch wirksamen (monographierten) Menge zu bleiben und eine physiologische Eigenschaft zu vermuten.

  • Extrakte in NEM dürfen nicht neuartig sein
    Bei der Verwendung von Pflanzenextrakten ist zu berücksichtigen, dass sie nicht der Novel Food Verordnung unterliegen. Extraktionsverfahren bergen das Risiko, die ursprüngliche Pflanze durch Ab- und Anreicherungsprozesse so zu verändern, dass die Verwendung in Lebensmitteln eine Zulassung erforderlich macht, siehe EU 2015/2283 über neuartige Lebensmittel. Bei der Verwendung von Extraktionslösungsmitteln gilt ebenfalls zu beachten, dass nur solche verwendet werden dürfen, die auch für Lebensmittel zugelassen sind.

  • Im Lebensmittelrecht verankerte Höchstmengen (Kontaminanten, Schwermetalle, etc.) sind bei der Rohstoffauswahl einzuhalten.
    Für Pflanzenzubereitungen, die in NEM verwendet werden, gelten im Lebensmittelrecht spezielle Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen, die einzuhalten sind.
    Das KFN fordert zur Gewährleistung eines möglichst hohen Gesundheitsschutzes für den Verbraucher, bei Lebensmitteln die Good Agricultural Practices (GAPs) sowie die Good Manufacturing Practices (GMPs) einzuhalten.

  • Hersteller von Medizinprodukten müssen die Vorgaben der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) einhalten.
    So ähneln z.B. Stoffliche Medizinprodukte (MP) in ihrer Aufmachung und Darreichungsform zwar Arzneimitteln. Während Arzneimittel allerdings eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkweise haben, erzielen stoffliche MP ihre bestimmungsmäßige Hauptwirkung über einen physikochemischen und/oder physikalischen Wirkmechanismus.

    Sollten stoffliche MP zusätzlich arzneilich wirksame Bestandteile enthalten, die die bestimmungsgemäße Hauptwirkung unterstützen, fordert der Gesetzgeber für diese MP eine eigene klinische Prüfung.

    Einige Hersteller von MP unterlaufen diese Forderung sehr geschickt, indem sie in ihren Produkten rein physikalisch wirksame Inhaltsstoffe, wie z.B. Meersalz, mit solchen Pflanzenextrakten kombinieren, die ebenfalls in zugelassenen Arzneimitteln Verwendung finden. Gegenüber den Aufsichtsbehörden wird dann auf die rein physikalische Wirkung des Salzes abgestellt. In der Werbung hingegen, wird dem Verbraucher suggeriert, dass besonders die in dem Produkt enthaltenen Pflanzenextrakte für die gewünschte Wirkung verantwortlich sind. Verbraucher kaufen diese Produkte dann oft in dem Glauben, dass es sich dabei um Arzneimittel handelt, zumal ihnen die ausgelobten Pflanzenextrakte, als Inhaltsstoffe von Arzneimitteln, zumeist bekannt sind.
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