Stellungnahme des KFN zum Beitrag

„Gefährlicher Hokuspokus“ aus dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel, Ausgabe 23/2023:

Aus aktuellem Anlass, verweist das KFN auf den Artikel „Gefährlicher Hokuspokus“ des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, Ausgabe 23/2023, der das boomende Geschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln thematisiert. Ein Geschäft, das oft an den Verkauf diverser Wundermittel erinnert, wie er noch vor Jahrzehnten z.B. auf Jahrmärkten üblich war. So werden mit allerlei Versprechungen angebliche Wirkungen suggeriert oder sogar offen beworben, die ein Lebensmittel - denn Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel - per definitionem nicht haben darf.

Das Komitee Forschung Naturmedizin e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit Jahrzehnten herstellerunabhängig für die Forderung nach klinischer Evidenz beim Einsatz von Naturheilmitteln einsetzt. Wir treten für zuverlässige und nachweislich wirksame Heilmittel ein, deren Wirksamkeit klinisch belegt ist. Dem „gefährlichen Hokuspokus“ vieler Nahrungsergänzungsmittel stehen wir sehr kritisch gegenüber. Denn Millionen von Menschen verwenden nutzlose und mitunter sogar gefährliche Produkte, die im Einzelfall der Gesundheit sogar schwer schaden können.

Der eigentliche Skandal ist aber nicht, dass bestimmte Anbieter Gesetzeslücken ausnutzen, sondern dass die Politik diese Lücken bewusst schafft oder belässt.

Mit der Health-Claims Verordnung, zu Deutsch etwa: „Gesundheitsbehauptungenverordnung[1]“ hat die EU zum 20. Dezember 2006 einen rechtlichen Rahmen geschaffen, indem gesundheitsbezogene Behauptungen, sog. „Health-Claims“ erlaubt oder verboten werden sollten. Der Zweck der Verordnung liegt im Gesundheitsschutz: Eine Werbung mit gesundheits- und nährwertbezogenen Angaben ist nur zulässig, wenn die Angaben wissenschaftlich anerkannt sind. Es sollte eine Liste geschaffen werden, in der die „Health-Claims“ bewertet und die akzeptierten Health-Claims aufgenommen werden sollten. Die Europäische Kommission setzte sich hierfür eine verpflichtende(!) Frist, diese Liste bis spätest2ens 31. Januar 2010 zu verabschieden (vgl. Art. 13 Abs.3 HCVO).

Was allerdings hat die Europäische Kommission seitdem gemacht: Nichts. Auch heute, im Juli 2023 – 13 Jahre später, gibt es keine Liste nach Art. 13 Abs.3 HCVO. Stattdessen gibt es eine sog. „On-Hold“ Liste, mit rund 2.000 gesundheitsbezogenen Behauptungen zu „Botanicals“ (pflanzliche Zubereitungen in Nahrungsergänzungsmitteln), die im Rahmen einer Übergangsvorschrift unter gewissen Umständen benutzt werden dürfen, obwohl es auch hierüber große Zweifel gibt.

Vor diesem Hintergrund hat der frühere Richter des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Udo di Fabio, am 25.10.2022 ein Gutachten veröffentlicht, demzufolge sich niemand mehr auf die vorgenannte Übergangsvorschrift berufen kann. Das Gutachten steht auf der Webseite des BPI (Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie) zum Download. https://www.bpi.de/nachrichten/detail/di-fabio-gutachten-zu-gesundheitsbezogenen-werbeaussagen-dringender-handlungsbedarf

Die Europäische Kommission missachtet seit Jahrzehnten ihre eigene, völlig unstrittige Verpflichtung zur Umsetzung. Das ist auch der deutschen Politik nicht entgangen. Am 12. Februar 2021 verabschiedete der Bundesrat eine Entschließung, in der die Europäische Kommission aufgefordert wird, die HCVO vollständig umzusetzen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium kündigte daraufhin an, sich an die zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides mit der Bitte zu wenden, das Thema „erneut auf die Tagesordnung zu setzen“ (vgl. Bundesratsdrucksache 36/21 https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2021/0001-0100/0036-21.html). Die damaligen Bundesminister Julia Klöckner und Jens Spahn teilten dem Bundesrat mit, dass die EU-Kommissarin beabsichtige, in den „kommenden Monaten“ erneut aktiv zu werden. Das war 2021. Passiert ist, Sie ahnen es schon: Nichts.

Der Verbraucherschutz bleibt erneut auf der Strecke, weil die Politik es anscheinend so will. Weder die alte noch die neue Bundesregierung scheint gewillt zu sein, sich ernsthaft für die Umsetzung der Health-Claims-Verordnung einzusetzen. Es wäre unbequem das boomende Geschäft mit dem „gefährlichen Hokuspokus“ der Nahrungsergänzungsmittel zu unterbinden.

Das KFN fordert die politisch Verantwortlichen auf, nun endlich den Verbraucherschutz ernst zu nehmen und die HCVO vollständig umzusetzen.

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[1] Diese Übersetzung ist dem Wikipedia-Artikel zur Verordnung EG Nr. 1924/2006 (Health Claims Verordnung) entnommen.

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