Seit der Gesetzgeber die Erstattungsfähigkeit pflanzlicher Medikamente eingeschränkt hat und beim Arztbesuch Praxisgebühr verlangt wird, suchen Menschen mit Gesundheitsproblemen immer häufiger Rat in der noch frei zugänglichen Apotheke. Sind Apotheker aber tatsächlich in der Lage, auch tiefere Ursachen hinter einem Medikamentenwunsch zu erkennen und sie in ihrer Beratung angemessen zu berücksichtigen? Eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Marion Schaefer an der Berliner Charité hat zur Klärung dieser Frage am Beispiel von Johanniskraut eine groß angelegte bundesweite Studie durchgeführt. Johanniskrautextrakte sind zur Zeit die einzigen rezeptfreien Antidepressiva, bei ihrer Abgabe kommt daher der Beratung durch den Apotheker eine wachsende Bedeutung zu.
Von den angeschriebenen 292 Apotheken haben sich 172 an der Studie beteiligt. Sie beantworteten unter anderem Fragen zum konkreten Anlass des Kundenkontakts und zum Beratungsaufwand. Zusätzlich zu den dabei erstellten 1.348 Dokumentationsbögen wurden 718 Fragebögen von Kunden ausgewertet. Hier die wichtigsten Ergebnisse:
- Die Mehrzahl der Apothekenkunden hatte leichtere Probleme, mit ca. 40 Prozent lag jedoch der Anteil von Patienten mit ausgeprägten oder sehr ausgeprägten Symptomen einer Depression überraschend hoch. Das bedeutet: Ein erheblicher Teil der Patienten mit behandlungsbedürftigen Beschwerden geht nicht zum Arzt.
- Entsprechend hat auch nur ein Drittel der Patienten ein Rezept vorgelegt, zwei Drittel waren Selbstkäufer.
- 40 Prozent der Patienten waren Erstverwender, 30 Prozent nahmen Johanniskrautpräparate regelmäßig ein.
- 57 Prozent der Patienten berichteten, dass ihnen durch das Apothekenpersonal ein Beratungsgespräch angeboten wurde.
- Etwa 60 Prozent der Patienten fühlten sich „sehr ausführlich“ oder „hinreichend“ beraten worden zu sein. 16 Prozent wünschten keine Beratung.
- Die Apotheker beschrieben ihrerseits die Patienten mit psychischen Problemen als anspruchsvoll, fühlen sich dadurch jedoch nicht überfordert und hielten sich für Beratung für ausreichend kompetent.
Bedenklich erscheint dagegen die Erkenntnis, dass nur 43 Prozent der Verwender von Johanniskrautpräparaten ihren Arzt über die Einnahme des Phytopharmakons informieren. Die Mehrzahl hält das nicht für notwendig oder verschweigt sogar bewusst die Einnahme.
KFN 1/2008 – 29.01.08