Ab April 2011 beabsichtige die EU ein Verkaufsverbot von Heilpflanzen. Mit dieser alarmierenden Nachricht haben vor wenigen Tagen gleich mehrere Nachrichtenportale die Öffentlichkeit aufgeschreckt. Gleichzeitig riefen sie dazu auf, eine Petition an den Bundestag zu unterschreiben, um „dieses düstere Gespenst vielleicht doch noch abzuwehren“. Ist die pflanzliche Medizin tatsächlich akut gefährdet?
Die Tatsachen sehen folgendermaßen aus:
- Entgegen der Behauptung der Autoren der Petition bezieht sich die angesprochene Richtlinie 2004/24/EG nicht auf „Nahrungsergänzungsmittel und Heilkräuter“ sondern ausschließlich auf pflanzliche Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel sind rechtlich betrachtet Lebensmittel und bleiben deshalb von dieser Regelung gänzlich unberührt.
- Außerdem handelt es sich hier weder um einen neuen, noch um einen überraschenden Sachverhalt. Die Richtlinie ist bereits am 31. März 2004, also vor knapp sieben Jahren (!), verabschiedet worden.
- Besonders absurd wird der ganze Aktionismus angesichts der Tatsache, dass die Richtlinie 2004/24/EG zustande kam, „damit diese Produkte auf dem Markt bleiben können“, wie es dort im Erwägungsgrund 3 wörtlich heißt. Durch diese Richtlinie ist für diese Produktgruppe ein vereinfachtes Registrierungsverfahren eingeführt worden, nachdem die drei Jahre vorher verabschiedete Richtlinie 2001/83/EG für jeden Hersteller eines Arzneimittels die Pflicht vorsah, wissenschaftliche Unterlagen vorzulegen, die seine Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit belegen. Viele pflanzliche Arzneimittel mit langer Tradition konnten diese Anforderung nicht erfüllen. Sie hätten also ohne die Richtlinie 2004/24/EG vom Markt verschwinden müssen.
- Auch für die Registrierung eines traditionellen Arzneimittels müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Sie sind im Kapitel 2a, Art.16a der Richtlinie aufgeführt. Traditionelle Arzneimittel müssen demnach bereits seit 30 Jahren, davon seit 15 Jahren in der EU in Verwendung sein, die dürfen nur eine bestimmte Stärke haben und sind lediglich in Dosierungen, die kein Risiko für den Patienten darstellen, vor allem für die Selbstmedikation geeignet. Die Übergangsfrist zur Anpassung vorhandener Präparate an diese Bestimmungen läuft im April 2011 ab.
„Betroffen von den Bestimmungen kann nur derjenige Hersteller sein, der keine Hausaufgaben gemacht hat und alle Fristen tatenlos verstreichen ließ“, kommentiert Prof. Dr. Michael Habs, Karlsruhe, den Vorgang. Für Patienten und Verbraucher werde sich dagegen nichts ändern.
Das KFN stellt außerdem fest, dass hier eine Desinformationskampagne läuft, die das Engagement gutgläubiger Befürworter der Phytotherapie missbraucht. Mit ihrer dubiosen Aktion schaden die scheinbaren Retter der Phytotherapie nicht weniger als ihre erklärten Gegner.