Hochdosierte Baldrian-Melisse-Kombination verbessert die Schlafqualität

Das zunehmende Interesse der Patienten an pflanzlichen Schlafmitteln, die dann auch im Rahmen der Selbstmedikation eingenommen werden, erfordert eine wissenschaftliche Dokumentation der klinischen Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Präparate auch unter Alltagsbedingungen. In einer kontrollierten Doppelblindstudie prüfte daher die Arbeitsgruppe um H. Dreßing von der Abteilung für Psychopharmakologie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit, Mannheim, einen hochdosierten Baldrian-Melisse-Extrakt an ambulanten Patienten mit Insomnien.

Patienten und Methoden

In die Studie wurden 68 Patienten aus zehn allgemeinmedizinischen und internistischen Prüfzentren aufgenommen und randomisiert zwei Behandlungsgruppen zugeteilt. Alle litten an leichteren behandlungsbedürftigen Ein- und Durchschlafstörungen, die gemäß der DSM-III-R-Klassifizierung keine organische Ursache hatten. Ausgeschlossen waren Patienten mit psychiatrischen oder schweren organischen Erkrankungen, Drogen- und Alkoholabusus. Die Einnahme anderer Medikamente war nicht erlaubt.

Nach einer einfach-blinden Placebo-Run-in-Phase von sieben Tagen erhielten die Patienten für die Behandlungsdauer von zwei Wochen entweder das Prüfpräparat – eine Kombination aus 160 mg Baldrian und 80 mg Melisse als Trockenextrakt pro Dragee – in einer Dosierung von zweimal zwei Dragees oder Placebo.

Daran schloss sich eine weitere einfach-blinde siebentägige Placebophase, um etwaige Rebound-Phänomene erfassen zu können. Die Gesamtdauer der Untersuchung betrug somit 28 Tage.

Als Zielparameter dienten die Schlafqualität und das Tagesbefinden, die mit Hilfe der validierten visuellen Analogskalen VIS-M und VIS-A erfasst wurden, sowie der klinische Gesamteindruck, bemessen am Clinical Global Impression (CGI).

Kontrolluntersuchungen zur Beurteilung von Compliance, Therapieverlauf und des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der Prüfmedikation fanden wöchentlich statt.

Ergebnisse:

Die beiden Behandlungsgruppen erwiesen sich hinsichtlich ihrer demographischen Daten und des Schweregrades der Symptomatik als vergleichbar. Alle Patienten litten unter reduzierter Einschlafdauer, jeweils 50 Prozent klagten über Schlafunterbrechungen und jeweils 40 Prozent über reduzierte Gesamtschlafdauer. Zur Auswertung kamen die Daten von insgesamt 66 Patienten, da zwei Teilnehmer bereits in der Run-in-Phase ausgeschieden sind.

Die als primärer Prüfparameter festgelegte mittlere Schlafqualität nahm während der zweiwöchigen Therapiephase in beiden Gruppen im Mittel zu, wobei jedoch das Ausmaß der Besserung mit p = 0,02 einen signifikanten Vorteil zugunsten des Phytopharmakons aufwies.

Auch die Antriebslage während des Tages verbesserte sich durch die Einnahme des pflanzlichen Heilmittels signifikant stärker als unter Placebomedikation (p = 0,001).

In der Nachbeobachtungsphase blieb der Vorteil hinsichtlich der beiden Zielvariablen bei den Verum-Patienten erhalten, während es in der Placebogruppe wieder zu einer Verschlechterung kam.

Im CGI fiel die Bewertung gleichfalls deutlich zugunsten der Verum-Medikation aus (p=0,05). Bereits nach zwei Wochen wurde der Zustand von 60 Prozent der Verum-Patienten als „viel besser“ eingestuft, während nur 20 Prozent der Patienten in der Placebogruppe eine derartige Besserung des Befindens erfahren haben.

Auch die gemessenen Begleitvariablen wie mittlere Einschlafdauer und Gesamtschlafdauer zeigten einen tendenziellen Vorteil für das Prüfpräparats.

Eine deutliche Überlegenheit ergab sich für den Faktor „erholt sein nach dem Schlaf“. Ausgehend von gut vergleichbaren Ausgangswerten in der Run-in-Phase (p=0,50), besserte sich dieser Wirksamkeitsparameter in der Therapiephase unter der pflanzlichen Kombination mit einem p-Wert von 0,0004 gegenüber Placebo besonders deutlich.

Im Rahmen der Untersuchung wurden insgesamt 13 leichtgradige unerwünschte Ereignisse beobachtet (acht unter Verum, fünf unter Placebo) Ein Zusammenhang mit der Prüfmedikation war in zwei Fällen auszuschließen.

Fazit : Die geprüfte Pflanzenkombination aus Baldrian und Melisse zeigt in der gewählten Dosierung von morgens und abends zwei Dragees (Tagesdosis 640 mg Baldrianextrakt, 320 mg Melissenextrakt) bei Patienten mit leichteren Schlafstörungen eine deutliche Überlegenheit gegenüber Placebo. Der positive Effekt wurde weder von hang-over- noch von Rebound-Phänomenen begleitet und hielt auch nach Beendigung der Therapie an. Das Phytopharmakon kann daher als wirksame und verträgliche therapeutische Möglichkeit bei nicht-organisch bedingten Insomnien angesehen werden.

(Quelle: H. Dreßing, S. Köhler, W. E. Müller: Verbesserung der Schlafqualität mit einem hochdosierten Baldrian-Melisse-Präparat. Psychopharmakotherapie 3, 3. Jhg., 1996: 123-130)