Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben in den 90er Jahren die Effizienz verschiedener Johanniskrautextrakte bei leichten bis mittelschweren Formen der Depression dokumentiert. Nachdem aber 2001 bzw. 2002 zwei amerikanische Studien die Überlegenheit des Phytopharmakons gegenüber Placebo in Frage stellten, wollte die Arbeitsgruppe um Y. Lecrubier vom Centre Hospital Pitié Salpetrière, Paris, die Wirksamkeit eines Hypericumextraktes in einer großangelegten placebokontrollierten Untersuchung erneut unter Beweis stellen.
Patienten und Methodik
In die Untersuchung wurden insgesamt 375 Patienten aufgenommen, die an einer leichten bis mittelschweren Depression - entsprechend den DSM-IV-Kriterien - litten. Es handelte sich dabei sowohl um Patienten mit wiederholten wie auch mit einmaligen depressiven Episoden. Einschlusskriterium war ein Score zwischen 18 und 24 Punkten auf der Hamilton-Depressions-Skala.
Nach einer dreitägigen einfach-blinden Placebo-Run-in-Phase wurden die Patienten randomisiert zwei Behandlungsgruppen zugeteilt: 186 von ihnen erhielten für einen Zeitraum von sechs Wochen den auf einen Gehalt von 3 bis 6 Prozent Hyperforin und 0,12 bis 0,28 Hypericin standardisierten Johanniskrautextrakt (WS 5570) in einer täglichen Dosierung von 900 mg. Die übrigen 189 Patienten bekamen ein Placebo.
Primärer Zielparameter war definiert als die während des sechswöchigen Behandlungszeitraums erzielten Veränderungen der Messergebnisse auf der Hamilton-Depressions-Skala (HDRS, 17 Item-Version).
Als sekundäre Prüfparameter galten Verringerungen des Gesamtscores der Montgomery-Asberg-Depression-Rating-Skala (MADRS), des Depression-Scores der Symptom-Check-List (SCL-11) und die Beurteilung der Medikation gemäß der Clinical Global Impression (CGI).
Zusätzlich wurden die Responder erfasst, definiert als Patienten, die durch die Behandlung eine Reduktion des Hamilton-Score um wenigstens 50 Prozent erfuhren oder bei denen zu Abschluss der Behandlungsphase eine Totalremission (Total-Score von 6 oder weniger Punkten auf der Hamilton-Skala) zu verzeichnen war.
Kontrolluntersuchungen fanden zu Studienbeginn sowie nach einem, zwei, drei und vier Wochen sowie zu Studienabschluss statt. Nachdem die Ergebnisse von insgesamt 169 Patienten vorlagen, wurde eine Zwischenanalyse durchgeführt.
Ergebnisse:
Der initiale mittlere Hamilton-Score betrug 21,9 Punkte, in der Beurteilung nach der CGI wurden zu Beginn der Studie 12,2 Prozent der Patienten als leicht, 55,4 Prozent als mäßig und 32 Prozent als schwer depressiv eingestuft.
- Am Ende der Behandlung verringerte sich der Score auf der Hamilton-Depressions-Skala unter der Behandlung mit WS 5570 um 9.9 +/- 6,8 Punkte gegenüber 8,1 +/- 7.1 Punkten unter Placebo. Für die Interimsanalyse ergab sich daraus ein p-Wert von 0,37, für die gesamte Studie betrug der p-Wert 0,02. Der Unterschied war also signifikant.
- Im Hinblick auf die sekundären Zielparameter zeigte sich die Verummedikation als tendenziell überlegen, der Unterschied war aber nicht signifikant.
- Signifikante Unterschiede ergaben sich dagegen hinsichtlich der Responderrate. Während insgesamt 52,7 Prozent der Patienten gemäß den definierten Kriterien auf die Behandlung mit dem Phytopharmakon ansprachen, traf dies nur für 43,3 Prozent der Placebogruppe zu (p < 0,05).
- Auch fand sich unter der Verummedikation eine deutlich höhere Anzahl von Totalremissionen als unter Placebo. In der Verumgruppe waren es 24,7 Prozent gegenüber 15,9 Prozent in der Placebogruppe.
- Ähnliche Ergebnisse erbrachte eine Subgruppenanalyse, in der jeweils ausschließlich Patienten mit leichter (HDRS < 22) bzw. schwerer (HDRS >22) Depression ausgewertet wurden. 50 Prozent der Patienten mit der leicht ausgeprägten Symptomatik sprachen auf die Behandlung mit dem Jpohanniskrautextrakt an, unter Placebo waren es 41,7 Prozent. Bei den schwer depressiven Patienten betrug die Responderrate unter Johanniskraut 54,5 Prozent, unter Placebo 42,7 Prozent.
Die Anzahl unerwünschter Nebeneffekte - diese waren überwiegend leichterer Natur - unterschied sich bei den Patienten, die den Johanniskrautextrakt WS 5570 eingenommen hatten, nicht wesentlich von der in der Placebogruppe.
Fazit: Die Daten belegen eine Wirksamkeit des geprüften Johanniskrautextrakts im Vergleich zu Placebo bei der Behandlung leichter bis mittelschwerer Depressionen. Das pflanzliche Arzneimittel erwies sich gleichzeitig als sicher und genauso gut verträglich wie Placebo.
Quelle: Y. Lecrubier et al. : Efficacy of St. Johns Wort Extract WS 5570 in Major Depression : A Double-Blind, Placebo-Controlled Trial. Am. J. Psychiatry 159-8, August 2002